Er ist
gewiß einer der großen deutschen Moralisten des
20. Jahrhunderts: der Leipziger Erich Loest. Seine hohen Wertmaßstäbe
erarbeitete er sich in ganz unterschiedlichen politischen
Systemen, der untergegangenen DDR, der alten Bundesrepublik
und dem neuen Deutschland. Zu allem und jedem erschallte seine
strenge Stimme. Selbst zu Helmut Kohl fiel ihm etwas ein und
ließ es drucken.
Besonders galt die moralische Schärfe
- verständlich - der DDR-Diktatur und ihren willigen
Helfern, die ihn sieben Jahre ins Zuchthaus Bautzen II steckten.
Loests Credo in der Haft: „Nicht den kleinen Finger!“
und „Ich geb keine Auskünfte über Mithäftlinge.“
So gehörte er nach 1989 zu den Siegern der Geschichte.
Nun konnte er fragen, die andern antworten. „Lehrt Träger
noch?“ „Weiß es Höpke noch?“
Die Stasi war mein Eckermann: eines der
bewegendsten Bücher aus der Perspektive eines der prominentesten
Stasi-Opfer. Erich Loest zitierte dort erstmals aus seinen
Stasi-Akten. Seine Verlage (und seine Leser) empörten
sich zu Recht, „wie skrupellos Kollegen, Freunde, Politiker
‘Informationen’ über Loest ablieferten, um
selbst kleine Vorteile als Gegenleistung zu erhalten.“
Er wütete gegen die Informanten. „Keiner der erwähnten
IM hat sich ohne Druck offenbart.“
In den Stasi-Unterlagen über den wohl
bekanntesten deutschen Literaturwissenschaftler Hans Mayer
fand die Gauck-Behörde bereits vor mehreren Jahren einen
fünfseitigen Bericht, der aber erst jetzt zugänglich
gemacht wurde. Der Autor dieses bislang geheimen Schriftstücks
zum persönlichen Verhältnis zu Hans Mayer und vielen
Informationen: Erich Loest.
Das maschinenschriftliche Papier ohne Titel
datiert Leipzig, den 18.7.1958. Das Aktenzeichen des MfS-Zentralarchivs:
AOP 3215/87, Band 6. 37 Zeilen von 153 sind ganz oder
teilweise von der Gauck-Behörde geschwärzt worden.
Der Ich-Erzähler hat jede Seite unten rechts und das
Ganze auch nochmals am Schluß mit seinem guten Namen
beglaubigt. Nach seiner heutigen Erinnerung hat Erich Loest
die fünf Seiten von Hand geschrieben. Das getippte Exemplar
wurde ihm zur Unterschrift vorgelegt.
Diese fünf Blätter aus der Berliner
Gauck-Behörde nähren natürlich sofort den Verdacht,
das Stasi-Opfer Erich Loest, der unerbittliche Kämpfer
gegen DDR-Unrecht und ehemalige Vorsitzende des Verbandes
deutscher Schriftsteller, kooperierte selbst mit dem Leipziger
Ministerium für Staatssicherheit.
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