Erich Loest über Hans Mayer.
Die Stasi war sein Eckermann ...
(Stand: 22.05.2001)
 

Er ist gewiß einer der großen deutschen Moralisten des 20. Jahrhunderts: der Leipziger Erich Loest. Seine hohen Wertmaßstäbe erarbeitete er sich in ganz unterschiedlichen politischen Systemen, der untergegangenen DDR, der alten Bundesrepublik und dem neuen Deutschland. Zu allem und jedem erschallte seine strenge Stimme. Selbst zu Helmut Kohl fiel ihm etwas ein und ließ es drucken.

Besonders galt die moralische Schärfe - verständlich - der DDR-Diktatur und ihren willigen Helfern, die ihn sieben Jahre ins Zuchthaus Bautzen II steckten. Loests Credo in der Haft: „Nicht den kleinen Finger!“ und „Ich geb keine Auskünfte über Mithäftlinge.“
So gehörte er nach 1989 zu den Siegern der Geschichte. Nun konnte er fragen, die andern antworten. „Lehrt Träger noch?“ „Weiß es Höpke noch?“

Die Stasi war mein Eckermann: eines der bewegendsten Bücher aus der Perspektive eines der prominentesten Stasi-Opfer. Erich Loest zitierte dort erstmals aus seinen Stasi-Akten. Seine Verlage (und seine Leser) empörten sich zu Recht, „wie skrupellos Kollegen, Freunde, Politiker ‘Informationen’ über Loest ablieferten, um selbst kleine Vorteile als Gegenleistung zu erhalten.“ Er wütete gegen die Informanten. „Keiner der erwähnten IM hat sich ohne Druck offenbart.“

In den Stasi-Unterlagen über den wohl bekanntesten deutschen Literaturwissenschaftler Hans Mayer fand die Gauck-Behörde bereits vor mehreren Jahren einen fünfseitigen Bericht, der aber erst jetzt zugänglich gemacht wurde. Der Autor dieses bislang geheimen Schriftstücks zum persönlichen Verhältnis zu Hans Mayer und vielen Informationen: Erich Loest.

Das maschinenschriftliche Papier ohne Titel datiert Leipzig, den 18.7.1958. Das Aktenzeichen des MfS-Zentralarchivs: AOP 3215/87, Band 6. 37 Zeilen von 153 sind ganz oder teilweise von der Gauck-Behörde geschwärzt worden. Der Ich-Erzähler hat jede Seite unten rechts und das Ganze auch nochmals am Schluß mit seinem guten Namen beglaubigt. Nach seiner heutigen Erinnerung hat Erich Loest die fünf Seiten von Hand geschrieben. Das getippte Exemplar wurde ihm zur Unterschrift vorgelegt.

Diese fünf Blätter aus der Berliner Gauck-Behörde nähren natürlich sofort den Verdacht, das Stasi-Opfer Erich Loest, der unerbittliche Kämpfer gegen DDR-Unrecht und ehemalige Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, kooperierte selbst mit dem Leipziger Ministerium für Staatssicherheit.